Hiroshima und Nagasaki verpflichten zur totalen nuklearen Abrüstung!
01. Aug 2005
Die Konsequenz aber war nicht eine weltweite Ächtung der Atomwaffe; ihr gewaltiges Vernichtungspotenzial entwickelte sich im Gegenteil zu einem Machtfaktor in der Politik der Staaten gegeneinander. Mit der Möglichkeit der vollständigen gegenseitigen Vernichtung, beschönigend atomares Gleichgewicht genannt, musste die Welt im Kalten Krieg leben. Mit Ende des Kalten Krieges 1989 war die atomare Gefahr keineswegs gebannt. Der Handel mit Nuklearmaterial, die neu entwickelten technischen Möglichkeiten zu begrenzten atomaren Schlägen und das Überschreiten der Atomschwelle durch weitere Länder stellen weiterhin eine existentielle Bedrohung für die Menschheit dar.
Der Atomwaffensperrvertrag von 1968, auch Nichtverbreitungsvertrag (NPT) genannt, wurde zwar von 186 Staaten, darunter Deutschland, unterzeichnet und wird alle 5 Jahre überprüft, zuletzt im Mai 2005 in New York, aber er wurde auch von immer mehr Staaten relativiert und 2003 von Nordkorea als erstem Land überhaupt aufgekündigt. Auch das mittlerweile von 158 Staaten unterzeichnete Atomtest-Stopp-Abkommen von 1996 hat nicht verhindern können, dass - nicht nur durch die fehlende Unterschrift der USA - ein neuer Kampf um die atomare Verfügungsmacht begonnen hat.
Das heißt heute, 60 Jahre nach der massenhaften Vernichtung von Zivilisten durch die Atomwaffen in Hiroshima und Nagasaki, dass ein Vielfaches dieses Zerstörungspotenzials die Welt bedroht. In den USA lagern derzeit 7.650 und in Russland 8.200 Sprengköpfe, China besitzt 400; Frankreich 348; Großbritannien 200; Israel 200 (geschätzt); Pakistan zwischen 24 und 48; Indien zwischen 30 und 40 und Nordkorea 1 bis 2. Dabei sind die vertragsgemäß de-aktivierten 3.000 US-amerikanischen und 10.000 russischen Raketensprengköpfe nicht mitgerechnet.
Statt diese Massenvernichtungswaffen abzuschaffen, wird jetzt, insbesondere in den USA, mit der Entwicklung von Mini-Nukes begonnen, die vor allem zur Abwehr terroristischer Bedrohungen eingesetzt werden sollen. Andererseits suchen gerade wegen dieser Angst vor US-Invasionen immer mehr Staaten eine Gegenwehr durch atomares Drohpotenzial aufzubauen. Dadurch wird die Schwelle zum Einsatz atomarer Waffen weiter gesenkt; auf beiden Seiten ist der erhoffte Schutz trügerisch.
Auch die deutsche Bundesregierung muss sich ihrer Verstrickung in die Atomgefahr bewusst werden. Seit der Änderung des Abschnitts zu den Atomwaffen im deutschen Kriegswaffenkontrollgesetz im Jahre 1990 ist es Deutschland erlaubt, Atomwaffen zu entwickeln, herzustellen und mit ihnen Handel zu treiben. Seit 1999 sind Versuche der deutschen Bundesregierung erkennbar, die Etablierung einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion einschließlich einer europäischen Nuklearstreitmacht im EU Rahmen und unter deutscher Beteiligung zu etablieren.
Angesichts der verheerenden Zerstörungskraft dieser Waffen ist eine weitere Strategie der Abschreckung mit ihnen moralisch zu verurteilen, weil dieser Rüstungswettlauf eines Tages all das tödliche Unheil bringt, wozu er schon jetzt die Mittel bereitstellt. (II. Vatikanum, Gaudium et Spes, 81). Es gilt, diese Waffen auf dem Weg konsequenter Abrüstungsgespräche Schritt für Schritt ganz abzuschaffen.
· Deshalb fordert die deutsche Sektion von pax christi die Umsetzung der internationalen Abrüstungsverpflichtungen durch alle Atomwaffenstaaten mit dem Ziel der sofortigen und vollständigen Abschaffung der Atomwaffen im Sinne des Artikels VI des NPT-Vertrages, der Empfehlungen des Internationalen Gerichtshofes von 1996 und des Abschlussdokumentes der Überprüfungskonferenz von 2000.
· pax christi wendet sich entschieden gegen die Aufnahme nuklearer Optionen in die deutsche und europäische Sicherheits- und Verteidigungsstrategie oder deren Fortführung.
· pax christi fordert die Bundesregierung auf, den Abzug der in Deutschland lagernden Atomwaffen durch die USA voran zu treiben.
· pax christi empfiehlt den Gemeinden und Städten, sich der weltweiten Bewegung Mayors for Peace unter Führung des Bürgermeisters von Hiroshima, Tadatoshi Akiba, anzuschließen, denn die gemeinsame Erinnerung an die Opfer der Atomwaffenabwürfe und die Erfahrung der schrecklichen Zerstörungskraft könnten dazu beitragen, die Welt von Nuklearwaffen zu befreien und so einem dauerhaften Weltfrieden näher zu kommen.
· pax christi ruft die Bevölkerung zur Teilnahme an der Nacht der 100.000 Kerzen und anderen Gedenkveranstaltungen zum 6. und 9. August auf, damit auch in Deutschland starke Zeichen für die Ächtung der atomaren Waffen und für die Bereitschaft zu weltweitem Frieden sichtbar werden.
Bad Vilbel, den 1. August 2005